Herr Hattemer, Sie haben im vergangenen Jahr gewarnt, die neue Berechnung der Grundsteuer bedrohe die Existenz einiger Golfclubs in Hessen. Was ist aus der Bedrohungslage geworden, jetzt, wo die Neuregelung in Kraft getreten ist?
Christofer Hattemer: Der Hessische Golfverband (HGV) hat inzwischen ein genaueres Bild von der Situation, insbesondere von den Härtefällen. Die Belastungen, die auf die Golfanlagen zukommen, sind naturgemäß unterschiedlich. Einige Golfclubs oder Betreibergesellschaften sind mit einer zehn- bis 15-fachen Erhöhung der Grundsteuer konfrontiert. Da übersteigt die Steuerforderung den Betrag von 100.000 Euro jährlich. Ein Extrembeispiel ist der Anstieg von 8.000 Euro auf 108.000 Euro. Dabei trifft es ausgerechnet einen eingetragenen gemeinnützigen Verein. Werden diese exorbitanten Mehrbelastungen nicht durch die Landesregierung, die Finanzämter oder die Kommunen gestoppt, dann dürfte in dem ein oder anderen Golfclub Schluss sein.
Sind Sie der Meinung, dass hier Unrecht geschieht?
Christofer Hattemer: Die Wettbewerbsverzerrung ist offenkundig. Gemeinnützige Clubs, die in der Vergangenheit in der glücklichen Lage waren, ihren Grund und Boden zu kaufen, weil sie beispielsweise Sponsoren hatten, müssen nun für ihren Platz keine Grundsteuer bezahlen. Denn diese gemeinnützigen Vereine sind von der Grundsteuer befreit. Andere Clubs, die dieses Glück nicht hatten, sollen jetzt jährlich 100.000 Euro und mehr bezahlen. Diese Diskrepanz zwischen Eigentümern und Pächtern unter den Golfanlagen – bei jeweilig gemeinnützigen Vereinen – ist geradezu grotesk. Wenn die Grundsteuer plötzlich so hoch ist wie der Pachtbetrag, dann ist das eine faktische Enteignung.
„50 neue Mitglieder im ländlichen Raum? Die gibt es nicht“
Wer kommt am Ende wie für die Mehrkosten auf?
Christofer Hattemer: Sofern Golfclubs ihr Grundstück von einem oder mehreren Eigentümern pachten, werden die Verpächter die gestiegenen Kosten für die Grundsteuer ziemlich sicher an sie weiterreichen. So ist das in den meisten Verträgen vorgesehen. Zu kompensieren ist das nur, indem Clubs massiv neue Mitglieder aufnehmen. Aber von jetzt auf gleich 50 neue Mitglieder für einen Club im ländlichen Raum gewinnen? Das ist unmöglich, die gibt es gar nicht.
Bleibt also nur, den Mitgliedsbeitrag zu erhöhen.
Christofer Hattemer: Das würde in manchen Fällen einer Erhöhung um 250 bis 400 Euro entsprechen und eher dazu führen, dass Mitglieder abspringen. Man leistet dem Golfsport damit einen Bärendienst – egal ob Verein oder Betreibergesellschaft. Die Hürden für den Eintritt in unseren Sport werden größer statt kleiner. Als Hessischer Golfverband wollen wir das verhindern.
Wie genau kommt der teils massive Anstieg der Grundsteuer für Golfanlagen zustande?
Christofer Hattemer: Bisher wurde für die Spielfläche der allermeisten Golfplätze der Bodenrichtwert für landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Flächen angesetzt. Das war schlüssig. Ein wesentlicher Teil der Fläche wird bekanntlich nicht für den Spielbetrieb genutzt, sondern ist natürlicher Lebensraum: Wald, Biotope, Bäche. Die meisten Finanzämter in Hessen wenden die Bodenrichtwerte nun allerdings nicht mehr an. Stattdessen nutzen sie eine im neuen Hessischen Grundsteuergesetz vorgesehene Sonderregelung (§ 7, Absatz 2, Satz 5, Anm. d. Red.): die 10-Prozent-Regel. Das ist ein pauschaler Richtwert. Er entspricht 10 Prozent des durchschnittlichen Gemeindewertes. Da bilden also Werte für Baugrundstücke die Basis zur Berechnung für Golfplätze.
…die normalerweise nicht bebaut werden.
Christofer Hattemer: Exakt. So steht es meist auch in den Verordnungen der entsprechenden Gemeinden. Die Sonderregelung ist laut Gesetz auch nur für bebaute und bebaubare Grundstücke vorgesehen. Einen Hinweis, dass die 10-Prozent-Regel als Auffangregelung für alles andere zu verwenden ist, gibt es im Gesetz nicht. Ihre Anwendung auf Golfanlagen halte ich insofern für höchst fragwürdig.
„Finanzministerium ist sich der Wirkung nicht bewusst“
Wie könnte eine Problemlösung aussehen, die dem neuen Grundsteuergesetz entspricht?
Christofer Hattemer: Mit dem Gutachterausschuss gibt es eine kompetente Institution, die adäquate Bodenrichtwerte benennen kann. Gutachterausschüsse sind es auch gewesen, die in der Vergangenheit den Bodenrichtwert für Golfanlagen bestimmt haben, die schon heute als Sonderflächen bzw. Sportanlagen ausgewiesen sind. Mir scheint, einige Finanzämter sprechen den Gutachterausschüssen ihre Kompetenz ab und wenden lieber die Sonderregelung des Gesetzes an.
Die FDP hat die hessische Landesregierung in einer kleinen Anfrage auf das Problem hingewiesen. Wie sah die Reaktion aus?
Christofer Hattemer: Für die betroffenen Golfclubs sehr enttäuschend. Die Antwort zeigt, dass sich das Finanzministerium des Ausmaßes und der Wirkung offenbar nicht bewusst ist. Dem Ministerium sei nur ein Einzelfall bekannt, hieß es. Gemeint ist der massiv betroffene Golfclub Taunus Weilrod, der im Oktober 2023 den Petitionsausschuss des Landtages angerufen hat. Es wirkt, als habe das Ministerium kein Interesse daran gehabt, sich ein fundiertes Bild zu machen.
Wie reagieren die Gemeinden auf die Not der Golfanlagen?
Christofer Hattemer: Manche erkennen durchaus die Absurdität, sind aber selbst nur ausführendes Organ. Sie müssen sich auf die Grundsteuermessbescheide der Finanzämter stützen. Potenziell haben sie die Freiheit, überbordene Grundsteuerforderungen ganz oder teilweise zu erlassen. Das schafft jedoch keine langfristige Lösung für die Golfplätze, denn ein Erlass müsste von Jahr zu Jahr immer wieder beantragt und durch den Gemeinderat beschlossen werden. Das birgt eine Menge Ungewissheit.
Was können Sie als HGV-Präsident für die Golfanlagen noch tun?
Christofer Hattemer: Ich werde das Gespräch mit dem Hessischen Finanzministerium suchen. Durch die unterschiedlichen Beispiele, die ich vorzeigen kann, erhoffe ich mir, dass es auch dort zu einem Nachdenken kommt. Wenn selbst ausgebildete Finanzbeamte mal die eine und mal die andere Regelung treffen, dann zeigt es, dass das Grundsteuergesetz nicht eindeutig ist. Eine Einheitlichkeit der Besteuerung muss aber der Anspruch unserer Landesregierung sein. Ich setze darauf, dass entweder den Gutachterausschüssen ein höheres Recht eingeräumt wird, oder die Sonderregelung per Erlass nicht für Golfanlagen Anwendung findet.
„Einige Clubs werden Klage gegen Bescheide erheben“
Wie entschlossen sind die Golfclubs, sich gegen die Vervielfachung der Grundsteuer zu wehren?
Christofer Hattemer: In den existenzbedrohenden Fällen gibt es gar kein Pardon. Ich gehe davon aus, dass einige Golfanlagen gegen ihre Bescheide Klage erheben werden. Solche Verfahren können Jahre dauern. Vielleicht ist kurzfristig etwas mit einstweiligen Verfügungen zu erreichen. Im ersten Schritt sollten die Golfclubs Einspruch gegen den Grundsteuermessbescheid einlegen. Nach meiner Beobachtung sind einige Messbescheide noch immer für diesen Rechtsbehelf offen.
Zur Person
Christofer Hattemer ist seit 2022 Präsident des Hessischen Golfverbandes. In seiner Berufslaufbahn war der gebürtige Frankfurter lange als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer einer großen deutschen Beratungsgesellschaft tätig. Von 2018 bis 2024 war Hattemer Präsident des Golf Club Hanau-Wilhelmsbad.