In den wenigen Aufzeichnungen des Royal Homburger Golf Clubs, die beide Weltkriege überlebt haben, ist Sir William Russell als Sieger des Herren-Wanderpreises im Jahr 1905 vermerkt. Der Brite gewann einen der drei stattlichen Goldpokale, gestiftet von den Mitgliedern des damals sehr exklusiven Homburg Golf Clubs. Kaiser, Könige, Prinzen und viele führende Persönlichkeiten aus allen möglichen Ländern zierten die Mitgliedsliste. Sechs Jahre nach seiner Gründung 1899 hatte der Club bereits 1420 Mitglieder, die durch eine strenge Abstimmung ausgewählt wurden. Der „Homburger“ – so wurde das Wettspiel um die drei Goldpokale genannt – war seinerzeit in der ganzen Golfwelt bekannt.
Der Macomber Pokal ist seit jeher ein Team-Preis
Die beliebten Homburger Goldpokale waren nicht nur von beachtlicher Größe, sondern auch mit aufwendigen Goldschmiedeornamenten verziert. Neben dem Herren-Wanderpreis gab es einen Damen-Wanderpreis sowie den Macomber Pokal. Ausgespielt wurden die Trophäen stets als Wanderpreise in Wettspielen über 36 Löcher ohne Vorgabe. Dabei war der Macomber Pokal ein Team-Preis, den laut den historischen Quellen 1913 Miss Ada Clark zusammen mit Prinz Albert von Schleswig-Holstein gewann. Entscheidend für das Überleben der Homburger Goldpokale sollte aber eine Frankfurterin werden, die 1939 den Damen-Pokal gewann: Mathilde Emilie Reuter, genannt „Milly“.
Die gebürtige Rödelheimerin war dreimal Deutsche Meisterin im Diskuswerfen, stellte 1925 und 1926 gar Weltrekorde auf und wurde 1928 bei den Olympischen Spielen in Amsterdam in ihrer Disziplin Vierte. Ihre Kraft und ihr Geschick brachten Milly Reuter auch beim Golf weit: 1939 gewann sie die Deutsche Meisterschaft und eben einen der Homburger Goldpokale. Den Macomber Pokal, der in den letzten Jahren vor dem Krieg an Mannschaften verliehen wurde, gewann im selben Jahr der Frankfurter Golf Club.
Homburger Goldpokale zu Kriegsbeginn im Frankfurter Golf Club
So befanden sich die Homburger Goldpokale während der ersten Kriegsjahre in Händen des befreundeten Frankfurter Golf Clubs. Als Anfang Oktober 1943 Bomber nach Frankfurt kamen, war man besorgt, und es stand fest, dass die Pokale nicht mehr im Frankfurter Clubhaus im Stadtwald bleiben konnten. Wilhelm Dörr, 1906 Olympiasieger von Athen, Sportmanager und Lebenspartner von Milly Reuter, brachte das große Paket mit den Pokalen nach Homburg zurück. Aber in Homburg war in jenen unruhigen Tagen niemand bereit, die Verantwortung zu übernehmen. Die einzige Bank mit Stahlfächern weigerte sich aus Platzgründen sie anzunehmen.
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Wohin mit den Pokalen? Zurück nach Frankfurt. Im Jahre 1944 wurde die Not, die die Bomber verursachten, noch größer. Jedermann schnürte täglich seine Koffer und Taschen mit Hab und Gut, soviel er tragen konnte, zusammen, um bei Alarm weglaufen zu können. Wilhelm Dörr und Milly Reuter, die es sich in den Kopf gesetzt hatten, die Pokale auf jeden Fall zu retten, verbargen die goldenen Gefäße in getarnten Säcken und legten diese kostbaren Dinge in Stunden der Gefahr zu ihren Koffern und Paketen. Die beiden Athleten mit starken Rücken und Armen gingen oft wie Gepäckträger oder wandelnde Bündel in Keller und Bunker.
Pokalumzug im Bombenhagel
Vorübergehend wurden die Pokale in einem Keller in einer Fabrik auf der linken Mainseite verborgen, da es ermüdend war, sie Tag für Tag herein und herauszutragen. Angesichts der wachsenden Unsicherheit beschlossen Dörr und Reuter jedoch, die Pokale auf die rechte Mainseite in das Gartenhaus einer Bank zu bringen. Hier befand sich ein großes Stahlfach. Der Direktor der Bank, selbst ein Golfspieler, versprach Milly Reuter, auf die Pokale aufzupassen. Das Grundstück des Gartenhauses lag in der Nähe des Schauspielhauses, gegenüber der Reichsbank.
Der Tag des geplanten Pokalumzuges, der 29. Januar 1944, war ein sehr schwarzer Tag für Frankfurt. Wilhelm Dörr ging zur Mittagszeit in die Fabrik und holte die Holzkisten mit den Pokalen. Er wollte den direkten Weg über eine der Mainbrücken hin zum neuen Versteck nehmen. Ein schwerer Schneesturm blies über die Stadt und drückte die Kisten wie Segel rauf und runter. Sirenen begannen zu heulen. Niemand glaubte, dass die Bomber in einem solchen Schneesturm Frankfurt finden würden.
Als Wilhelm Dörr die Brücke erreichte, fielen die Bomben wie Hagelkörner, besonders im Bezirk des Theaters und des Gartenhauses, wo die Pokale aufbewahrt werden sollten. In der Not legte sich Dörr mit den Pokalen unter den Brückenbogen. Aber das war kein Vergnügen im Monat Januar und im Regen der Bomben, von denen viele ins Wasser fielen.
Im Gartenhaus einer Frankfurter Bank versteckt
Milly Reuter erwartete Dörr in der Halle der Bank, um die Pokale dem Direktor persönlich zu übergeben, mit dem sie für diesen Tag eine Verabredung getroffen hatte. Aber das Wetter und der Alarm veranlassten ihre Flucht in den Riesenbunker auf der Südseite des Hauptbahnhofes. In einem Augenblick höchster Gefahr lief sie mit einer fliehenden Menge die Treppe hinunter. In dieser kurzen Zeit hätte sie um ein Haar ihr Leben verloren. Die Bomben hatten den Bunker getroffen, 30 Personen wurden getötet und viele verletzt. Milly Reuter erlitt Verletzungen im Gesicht und am linken Bein.
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Nachdem die Bomber Frankfurt verlassen hatten, trafen sich Wilhelm Dörr und Milly Reuter einige Zeit später in einem unbeschreiblichen Zustand vor der brennenden Bank. Reuter war blutverkrustet. Beide waren müde und hungrig und zogen wie Landstreicher mit den Homburger Golfpokalen nach Hause. Sie sorgten sich, auch ihre Wohnungen brennend wiederzusehen. Einige Gebäude der Bank waren schwer beschädigt oder niedergebrannt, doch die Stahlfächer in dem Gartenhaus konnten wieder geöffnet werden. Nun wurden die Pokale für den schrecklichen Rest des Krieges hier aufbewahrt.
Die alten Lagerplätze der Pokale wurden ausgeraubt
Im März und April 1945 war Frankfurt zwar nicht mehr unter Beschuss, aber die Not hielt an. Tausende von Plünderern liefen Tag und Nacht wie Bienenschwärme durch die Stadt. In jenen Tagen konnte jeder Gutgekleidete für einen silbernen Ring oder einen Mantel getötet werden. Die alten Lagerplätze der Pokale, das Clubhaus des Frankfurter Golf Clubs und die Fabrik wurden völlig ausgeraubt. Hier wären die Pokale für immer verloren gewesen. Einem Versuch, das Stahlfach im Gartenhaus hinter der Reichsbank mit einer Sprengladung aufzubrechen, hielten die Stahltüren stand.
Doch Wilhelm Dörr brachte die Pokale vorübergehend in seine neue Wohnung in der Nähe des IG-Hochhauses. Die Quartiermacher des US-Heeres und die täglichen Gerüchte erhöhten die Unsicherheit für die Homburger Golfpokale. Viele tausend Bewohner dieses Stadtteils mussten ihre Wohnungen verlassen und ihre Einrichtungen zurücklassen. Milly Reuter nahm die in Kartoffelsäcken getarnten Pokale auf ihr Fahrrad, um sie in die Wohnung ihrer Mutter in einem nördlichen Stadtteil von Frankfurt zu bringen.
„Ich bin Amerikanerin! In den Säcken sind Kartoffeln.“
Sie nahm den kürzesten Weg durch Gärten und Felder, erreichte schließlich die einzige Holzbrücke, die über die Nidda in den Ort führte. Im Knopfloch ihrer Jacke trug sie das Olympiaabzeichen eines Weltmeisters. Als der Amerikaner Jonny Kuck 1928 in Amsterdam seinen Sieg im Kugelstoßen errang, steckte er der Deutschen das Abzeichen als Geschenk eines Sportsmannes auf ihr Trikot.
Die Brücke war von einer Gruppe von Straßenräubern blockiert. Einer von ihnen zeigte ein Messer vor, andere trugen Teile amerikanischer Uniformen. Sie interessierten sich sehr für das Fahrrad. Einer rief: „Bist Du Deutsche?“ Ein anderer schaute auf die Säcke und sagte: „Zeig Du mir die Säcke!“ Sie sprachen gebrochen Deutsch. Auf den Stoß wartend, der sie in den Fluss werfen würde, verlor Milly Reuter die Ruhe nicht. Stolz zeigte sie ihr amerikanisches Olympia-Abzeichen und sagte: „Ich bin Amerikanerin! In den Säcken sind Kartoffeln.“ Einer der Männer sagte: „Kartoffeln, die brauchen wir auch.“ Doch Milly Reuter überraschte die Banditen, indem sie hastig auf ihr Fahrrad stieg und der dramatischen Szene entkam.
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Wenn jedes Jahr an Pfingsten Golferinnen und Golfer im Royal Homburger Golf Club um die drei Homburger Goldpokale spielen, dann auch dank Milly Reuter. Sie wurde 71 Jahre alt und starb 1976 in Frankfurt am Main. Die Homburger Goldpokale zählen – nach dem Gründerpokal des Golf- und Land-Club Berlin-Wannsee – zu den ältesten Preisen, die hierzulande im Golf vergeben werden. Titelverteidiger bei den Herren ist Fabian Kolb und bei den Damen Armgard Dahmen. In der Team-Wertung konnten 2024 Fabian Kolb, Mandy Matthew, Patrick Ehms und Niklas Baucke gewinnen.
Über diesen Artikel
Dieser Artikel über die Homburger Goldpokale – mit Ausnahme einiger Anpassungen und Ergänzungen – geht auf eine Schilderung Wilhelm Dörrs zurück, die nach dem Krieg als Übersetzung in der englischen Presse veröffentlicht wurde. Der Homburger Golf Club (so damals noch der Name) hat den Text auch in der Festschrift zu seinem 60-jährigen Bestehen abgedruckt.