Am Ende der Kellertreppe beginnt die Golfwelt von Yannick Hess. Ein gewaltiges Poster, das bis unter die Decke reicht, zeigt unseren Planeten – und den Entdeckungszug des Oberurselers durch die Golfwelt. 4,5 Meter mal 2,60 Meter misst die Karte. In ihr stecken 456 nummerierte Nadeln. Feinsäuberlich und nicht weniger genüsslich hat Yannick Hess sie nach und nach in den Kalksandstein gedrückt. Denn er ist leidenschaftlicher Sammler. Sammler von Golfplätzen und all den Erlebnissen, die sie bereithalten. „Jedes Mal, wenn ich an meiner Weltkarte vorbeigehe, dann bin ich für 20 Sekunden in einer ganz eigenen Welt“, sagt Hess. St Andrews, Whistling Straits, Château de Taulane.
Alles begann im Paragon Golf Club in Frankfurt
Der Ort, an dem alles begann, war der Paragon Golf Club, der einst im Inneren der Frankfurter Pferderennbahn lag. „Ein Kollege hat mich am 10. Juli 2007 dorthin mitgenommen“, weiß Yannick Hess noch ganz genau. Tennis und Squash habe er bis dahin gespielt. Golf erschien ihm wenig reizvoll; umso größer die Begeisterung auf der Rückfahrt. „Eine Woche später war ich total im Golffieber“, sagt Hess, der im Paragon Golf Club zum Stammgast wurde. Nadel Nummer eins, die einzige aus 2007, kündet davon.
In den ersten Jahren habe er nicht geahnt, wohin seine Golfleidenschaft ihn alles führen werde, erzählt der gebürtige Franzose. Den Score seiner Runden habe er von Beginn an penibel dokumentiert. Die Golfplätze behielt er im Kopf. Bis es irgendwann zu viele wurden. In seinem zweiten Golfjahr spielte Hess acht neue Plätze, darunter den New Course des Royal Homburger Golf Club und den Royal Golf Course von Vale do Lobo. Im dritten Jahr kamen 19 hinzu. „Ich habe dann eine Excel-Liste angelegt, um nicht zu vergessen, wo ich schon war“, erinnert sich der 47-Jährige.
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Was ihn antreibt? „Sicher nicht eine bestimmte Zahl“, beteuert Hess. Was ihm Golf gebe, seien vor allem die Erlebnisse und Bekanntschaften auf und nach der Runde. „In viereinhalb gemeinsamen Stunden auf dem Golfplatz lernt man einen Menschen und seine Kultur kennen“, ist er überzeugt. Ganz anders als in der Rolle des Touristen oder bei gemeinsamen Golfrunden mit Kunden, die Hess als Gewerbeimmobilienberater für institutionelle Investoren durchaus regelmäßig spielt.
Die besten 40 Plätze hat Yannick Hess unterstrichen
Dass eine Europakarte nicht ausreichte, liegt unter anderem am Master of Business Administration, den Hess ab 2011 in Chicago gemacht hat. Ein Jahr, in dem er 40 neue Plätze sammelte. Zum Beispiel Hamburg Falkenstein, Nummer 71, und den Ryder Cup-Platz Whistling Straits am Lake Michigan, Nummer 72. Welche Nadel für welchen Platz steht, davon künden diverse Bilderrahmen rechts und links von Yannick Hess‘ Weltkarte. Mit exaktem Datum sind darin chronologisch die Entdeckungen seiner Golfvita aufgeführt. „Etwa 40 Plätze sind unterstrichen“, erklärt Hess. „Das sind die Besten.“ Le Golf National in Paris, Cruden Bay in Schottland oder Bethpage Black auf Long Island.
Mit Amerikanern spiele er allzu gerne, so Hess. Die seien immer bereit zum Matchplay und trotzdem nicht bitterernst. Am wohlsten fühle er sich jedoch auf französischen Plätzen, wo ihm seine Muttersprache für die Verständigung hilft. „In Dinard, ein Platz mit Strich drunter, hat mein Sohn Thibault mitgespielt und ein Ehepaar aus der Schweiz“, berichtet Hess. „Der Mann war verbissen und sichtlich unzufrieden über einen Elfjährigen im Flight.“ 18 Löcher lang habe er mit seinem eigenen Spiel gehadert – und mit dem Spiel des jungen Golfers, das eindeutig besser war als das seine. „Erst nach der Runde hat er knurrig gefragt, wie es komme, dass Thibault so gut spielt. Als er dann hörte, dass der Junge ein Handicap von 4 hat, hat er sich entspannt.“
Rote Nummern für Runden mit Sohn Thibault
Thibault Hess, Spieler im Hessenkader und mittlerweile 16, ist der Grund dafür, dass es auf der Weltkarte von Vater Yannick zwei Typen von Nadeln gibt: mit weißer Nummer und mit roter Nummer. Rot heißt, Vater und Sohn haben gemeinsam gespielt, was sich vor allem im Familienurlaub ergibt. Wenn Yannick Hess neue Golfplätze allein erkundet, ist Sohn Thibault oft zumindest in der Nähe. „Von der Gründung meines Unternehmens 2013 bis zur Corona-Pandemie bin ich beruflich sehr viel gereist und habe immer meine Golfschläger mitgenommen“, erzählt er. Ein Golfplatz nach dem anderen kam hinzu. Kempferhof im Elsass, Villa d’Este am Comer See oder Finca Cortesin in Andalusien.
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Die Geschäftsreisen seien inzwischen seltener geworden. Dafür häuften sich praktischerweise die Teilnahmen seines Sohnes, der für den Golf-Club Hof Hausen vor der Sonne spielt, an nationalen und internationalen Amateurturnieren. „Ich reise mit ihm, und während er spielt, spiele ich meist zeitgleich auf einem Golfplatz in der Umgebung“, schildert Yannick Hess das bewährte Prozedere. Hobbyrunden fielen naturgemäß kürzer aus als Turnierrunden, so dass er seinen Sohn oft am 18. Grün erwarte.
2023 war für Yannick Hess ein Rekordjahr
Yannick Hess‘ bisheriges Rekordjahr war 2023. Da lernte er sage und schreibe 52 neue Golfplätze kennen: Von Penha Longa bei Lissabon über den Golfclub Castrop-Rauxel und den Golfpark Winnerod bis zum The Island Golf Club nördlich von Dublin. Nadel Nummer 456, die jüngste Entdeckung, war am Silvestertag der Castro Marim Golf & Country Club an der portugiesischen Algarve. Einer von 34 Plätzen, auf denen Yannick Hess im vergangenen Jahr zum ersten Mal abgeschlagen hat.
Wohin es als nächstes geht, das kann Hess zumindest einschränken. Neben seiner Trophäen-Liste führt er natürlich auch eine To-do-Liste, die von Empfehlungen gespeist wird und von eigenen Recherchen im Albrecht Golfführer oder im Nachschlagewerk The Rolex World‘s Top 1000 Golf Courses. 60 Plätze hat Hess aktuell in der Pipeline, etwa den Sunningdale Golf Club oder den Utrechtse Golf Club de Pan. „Mich interessiert es sehr, welcher Architekt jeweils am Werk war und ich würde behaupten, dass ich manchen Architekten mittlerweile sogar erkennen kann“, so Hess.
Ein Wunsch frei? Cape Kidnappers in Neuseeland
Wenn er einen der 456 Golftage wiederholen könnte – da muss er nicht lange überlegen –, dann wäre es der 24. Februar 2022. „Ich habe in Montecastillo bei Jerez de la Frontera eine Vier-über-Par-Runde gespielt, ohne Birdie“, weiß er noch ganz genau. Die Freude über den sportlich erfolgreichen Tag wirkt bis heute nach. Wo die Reise hinginge, wenn er einen Wunsch frei hätte, auch das kann Yannick Hess sofort beantworten: Cape Kidnappers auf Neuseelands Nordinsel. „Ein spektakulärer Platz von Desginer Tom Doak auf den Klippen hoch über dem Meer“, schwärmt Hess. Er werde dort spielen, auch ohne Wunsch frei, sagt er und lacht.
456 Plätze, das bedeutet auch eine Menge an Greenfee. Hess schätz, dass er im Schnitt 100 Euro pro Runde bezahlt hat. Portmarnock Links, Monte Rei und Co. hauen schließlich rein. „Das ist auch der Grund, warum ich nicht Mitglied in einem deutschen Golfclub bin“, erklärt er. Lieber investiere er das Geld in weitere Entdeckungen. Sein Handicap von dringend aktualisierungsbedürftigen 27,5 führe der französische Golfverband.
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Die Nadeln für die nächsten Golfplätze bewahrt Yannick Hess in seinem Büro auf. Bis Nummer 1000 hat er vorgesorgt, wahlweise in rot oder weiß. In Deutschland wird es allerdings langsam eng. Die Zahlen bilden schon eine Fläche. „Die Hälfte der deutschen Plätze habe ich schon“, sagt der Golfreisende. Damit er nicht den Überblick verliere, habe er nebenan in einem Kellerraum noch eine extra Deutschlandkarte. Da steht auch ein Golfsimulator, den er jeden Abend anwerfe. Valderama oder Pebble Beach? Kein Problem – aber auch keine Nadel. Egal, denn in Valderama ist Yannick Hess schon gewesen. Das ist seine Nummer 291.